Großpuppen und der Staub der deutschen Kinderliederlandschaft – Ein Gespräch mit „Deine Freunde“ (Teil 3)
Im dritten und letzten Teil des Gespräches mit „Deine Freunde“ unterhalten sich Lukas Nimscheck, Danny Engel und Matthias Meyer-Göllner darüber, wovon man als Künstler leben kann, über die Kraft von Liveauftritten, über Giraffenaffen und schöne Kindheitserinnerungen. Teil eins des Interviews könnt ihr hier nachlesen. Teil zwei findet ihr hier.
– Ein Gespräch mit Lukas Nimscheck, Danny Engel und Matthias Meyer-Göllner –
Matthias: Wovon kann man als Künstler leben? Lebt ihr davon?
Lukas: Es würde jetzt das erste Mal gehen, aber wir machen es alle nicht. Dieses Jahr würde es gehen …
Matthias: Dass ihr alle sechs oder sieben davon leben könnt?
Lukas: Wir drei und Danny. Tonmann und Lichtmann und so weiter engagieren wir tageweise für die Tour. Wir könnten uns in diesem Jahr zum ersten Mal ein schlechtes Gehalt zahlen.
Danny: Und nächstes Jahr ist es schon wieder anders. Dann wird ein neues Album aufgenommen, dann kommt keine Tour, dann kommt kein Geld …
Lukas: Wir haben alle noch andere Jobs: Pauli ist mit „Fettes Brot“ unterwegs, Flo ist Kindergärtner und ich bin hier am Theater und die werden wir auch nicht so schnell aufgeben. Es hält auch frisch, dass wir noch andere Sachen machen. Sonst wäre das kollermäßig zu viel. Wir machen das nur am Wochenende, es ist die Ausnahme, dass wir unter der Woche unterwegs sind. Wir haben gute Arbeitgeber und sind auf weniger Stunden gegangen.
Danny: So ’ne Sechs-Wochen-Tour zu sechst …
Lukas: … da kennt man sich wirklich gut!
„Kein Teil unserer Tour ist fremd bestimmt“
Danny: Wir fahren unfassbar viel Auto, teilweise Strecken von 600-700 km von Konzert zu Konzert. Wir fahren am Abend weiter in die nächste Stadt, dass man wenigstens ausschlafen kann und das ist so, dass erstmal drei Tage erholen angesagt ist, wenn wir nach drei Tagen nach Hause kommen. Wir kommen an, bauen den ganzen Wahnsinn auf und drei Stunden später geht es auch schon los.
Lukas: Das ist gut für jemanden wie mich, der immer schnell gelangweilt ist. Das passiert bei uns nicht, denn wir haben konstant was zu tun. Was aber meine beiden Bandkollegen sagen, die ja schon Erfahrung im Musikbusiness haben: Dass es total toll ist, dass alles von der Band selbst bestimmt ist. Es gibt keinen Teil unserer Tour, der in irgendeiner Form fremd bestimmt ist. Wir bestimmen, wer mitkommt.
Der Tonmann ist der beste Freund von Flo aus Kindergartenzeiten, unser Lichtmann ist ein Superfreund von uns allen und mit Danny waren wir alle schon vorher befreundet. Wir bestimmen genau, wie es auf der Bühne aussieht, wir bestimmen, was wir sagen und welche Songs wir spielen. Und die Songs haben wir sowieso zu dritt gemacht. Dadurch müssen wir uns nie verstellen. Das ist eine Qualität, die es nicht so oft gibt im Musikbusiness.
Danny: Anders würde es auch nicht funktionieren. Wenn das nicht so eng wäre, würde das kein Mensch machen.
Matthias: Liegt das an eurer Konstellation oder auch am Genre?
Lukas: Ich glaube an beidem. Wir haben zwar von Anfang an netten Zuspruch bekommen. Aber es gab auch ein paar Leute, die haben überhaupt nicht verstanden, was das jetzt soll. Unser Label wusste glaube ich das erste Jahr überhaupt nicht, was wir machen.
Danny: (Lacht)
„Ich warte immer noch auf Nachahmer – ich fände es gar nicht schlecht“
Lukas: Die mochten uns, die mochten auch unsere Lieder, aber die wussten überhaupt nicht, was wir wollen. Diese erwachsenen Jungs gehen mit ihren Jeans auf die Bühne und wer hört denen zu? Deswegen hat da von Anfang an keiner reinreden wollen. Diese Art von Konzert, wie wir es jetzt machen, gab und gibt es wohl so nicht. Belehre mich gerne eines Besseren, aber es gibt jetzt niemanden, der genau auf der gleichen Welle reitet, deswegen konnte uns auch keiner reinreden. Ich warte immer noch auf Nachahmer – ist ein böses Wort – ich fände es gar nicht schlecht.
Danny: Kann man ja ruhig sagen: Die Giraffenaffenband ist nicht umsonst eine Hiphop-Band geworden.
Lukas: Hast du das mitgekriegt? Die haben jetzt auch noch ne Band.
Matthias: Ich habe versucht rauszufinden, was das für eine Band ist. Ich habe aber nur so Videos mit Ganzkörperpuppen gefunden.
Lukas: Das ist ja ein Produzentenprodukt. Giraffenaffen ist ja so erfolgreich, weil da so viele bekannte Musiker mitmachen. Wir machen auf der nächsten CD auch mit. Tante aus Marokko! Wo wir uns nicht sicher sind, ob man das noch machen darf, heutzutage. Aber okay: Wir haben es gemacht. Und dann haben sie ein neues Produkt dazu erfunden, ich glaube, damit sie nicht mehr so viele Promimusiker fragen müssen, und haben eine Band gegründet …
„Die Giraffenaffenband ist ein Agenturprodukt“
Danny: Das ist zum Beispiel ein Agenturprodukt. Da hat jemand gesagt: Das ist ein erfolgreiches CD-Projekt, wir machen ’ne Giraffenaffenband. Dann hat man sich einen Produzenten gesucht, hat Texter gesucht und jemanden, der das einrapt. Und dann wurde ein Album produziert. Und dazu werden Puppen gespielt.
Lukas: Und live sind das Musicaldarsteller, glaube ich, in Kostümen, die die Songs nachsingen.
Danny: Und da steht Pro7-Media dahinter. Und das ist nicht umsonst Hiphop geworden …
Lukas: … und sofort auf Tour! Da wurde nicht lange gefackelt, da war schon vorher klar: Wir machen das Produkt und das geht auf Tour!
Danny: Fernsehwerbung dahinter und Zack – ab dafür!
Matthias: Und Großpuppen, in denen Studenten stecken!
Danny: Das ist das Live-Ding. Die Band hat keine Kostüme, aber da sind noch Typen, die auf der Bühne rumrennen und solche Kostüme anhaben.
„Diese Großpuppen sind für mich Kinderverarschung“
Lukas: Nee, Großpuppen sind das aber nicht. Die haben diese kleinen, muppetmäßigen Puppen für die Videos als eigentliche Band. Auf der Bühne sind Menschen in so hautengen Neoprenanzügen mit Giraffenmuster, also eher verkleidet, theatermäßig. Finde ich eigentlich schade, denn so eine Livepuppenshow wäre doch richtig geil. Aber das machen sie nicht.
Matthias: Für mich sind diese Großpuppen Kinderverarschung.
Lukas: So Ganzkörperkostüme? Nee, das ist auch nicht meins. Aber so muppetmäßige Puppen wie Elmo oder so finde ich schon ziemlich cool, auch künstlerisch. Aber das mit den Giraffenaffen ist genau das Ding, von dem wir dachten, dass ihr denkt, dass das bei uns so ist. Dass da ein Label kommt und sagt: So heißt euer neues Album, so müsst ihr aussehen und so muss sich das anfühlen. Ihr habt ja schon mal ne Rezension über uns geschrieben.
Matthias: Genau, das war ziemlich am Anfang vom Kinderlieder-Magazin, da war Unmada in Hannover im Pavillon bei euch.
Danny: Und Pelemele hat den Bericht über uns im heute-Journal gepostet. Und dazu gab es einen Kommentar, der mich geärgert hat. Nicht, weil er gegen „Deine Freunde“ ging, sondern wegen der Argumente. Da tauchten auch diese Agentur-Musikindustrie-Sachen auf und ich dachte: Man muss uns nicht gut finden, aber wenn Kritik, dann bitte richtig.
Matthias: Das kommt dabei raus, wenn man nur über die Medien kommuniziert. Deswegen finde ich es gut, dass wir uns treffen. Kindermusik hat leider wenig Öffentlichkeit und ihr habt vergleichsweise viel. Wenn man es mit anderen Sachen im Musikbusiness vergleicht, ist es vielleicht nicht viel …
Lukas: Nee, war schon viel in letzter Zeit, das finde ich auch.
Über den Pressetext von „Deine Freunde“: „Das ist eben so ‚auf dicke Hose machen’“
Matthias: … und weil das mein Beruf ist mit Kinderliedern und so, interessiert es mich natürlich. Und wenn man dann immer wieder die Geschichte hört vom „Staub der deutschen Kinderliederlandschaft“ – so steht es auf eurer Homepage – in den ihr euch setzt …
Danny: … das ist die Hiphop-Attitüde … (lacht)
Lukas: Da hast du recht, das ist ein „Diss“ und ist auch so gemeint. Das ist eben so „auf dicke Hose machen“. Ein Pressetext eben. Bei Herbert Grönemeyer steht da, er wäre der größte Superstar, den das Land jemals hervorgebracht hat. Ob das nun so ist oder nicht, muss der Journalist selber entscheiden.
Den Text habe ich übrigens geschrieben. Ich schreibe auch oft die Pressetexte für Stücke hier am Theater. Da muss immer etwas drin sein, damit der Journalist etwas hat, aus dem er eine Geschichte machen kann und denkt: Da ist eine Kontroverse drin, darüber kann ich was schreiben.
Matthias: Das ist ja auch euer gutes Recht. Was mich stört ist, wenn dann jemand über euch schreibt, und das ist oft von Unwissenheit geprägt. Unwissenheit darüber, woraus sie tatsächlich besteht, die deutsche Kinderliederunterhaltung. Da wissen dann die Journalisten leider oft nicht mehr, als im Pressetext steht. Und weil das Wissen so gering ist, kann man im Grunde alles behaupten und das wird übernommen.
Lukas: Ja, genau. Es gibt Artikel, die fangen an mit: „Kindermusik langweilt uns schon seit Jahren, aber jetzt gibt es ‚Deine Freunde’.“ Und dann denke ich auch: Nee, ganz so ist es nicht. Es gibt schon tolle Sachen. Aber es gibt auch Journalisten, die schreiben über uns, wir hätten gerade „Schokolade“ gemacht. Das war vor fünf Jahren, heute machen wir ganz andere Sachen. Gerade bei Kulturthemen wird da oft nicht groß recherchiert. Da kommt ja am Ende auch keiner und sagt: „Nee, das stimmt nicht.“
Matthias: Das ist auch einer der Gründe, warum wir das Kinderlieder-Magazin machen. Um die Gesprächsbasis zu erweitern und zu zeigen: Da gibt es viel, und da gibt es Leute, die sich Gedanken machen und da gibt es viel drüber zu sagen.
„Bummelkasten ist so eine Art Helge Schneider für Kinder“
Lukas: Wir gucken uns ja auch immer ein bisschen um. Vor zwei Wochen haben wir im Hamburger Stadtpark gespielt …
Matthias: War gut?
Lukas: Mega!
Danny: Wir haben noch nie ein eigenes Konzert vor so vielen Leuten gespielt. Wir haben immer zwei Bereiche: Vorn die Kinder und hinten die Eltern. Und das ist schon eine Herausforderung, 2500 Kinder so im Griff zu haben, dass Eltern, Kinder und Band ein gutes Gefühl haben. Da haben wir eine große Crew von Betreuern gehabt, die sich um die Kinder gekümmert haben, weil die ja von ihren Eltern getrennt standen. Und uns ist ein Stein vom Herzen gefallen, dass alles gut gegangen ist.
Lukas: Das hat sich zum ersten Mal nach richtiger Großveranstaltung angefühlt. 5000 Leute. Und wir haben alles selbst organisiert, das war schon krass. Aber was ich eigentlich sagen wollte: Wir haben geguckt, wer zu uns passt und als Vorband spielen könnte. Da kamen wir auf „Eule findet den Beat“ und „Bummelkasten„.
Matthias: Bummelkasten kenne ich nicht.
Danny: Guter Typ.
Lukas: Bummelkasten kommt aus Berlin, den haben wir bei YouTube gefunden. Der macht sehr schrille Videos und hat eine eigene Art von Humor. So eine Art Helge Schneider für Kinder. Das fanden wir alle künstlerisch total gut. Und ich fand dann auch seinen Auftritt super. Meine Prognose ist, dass der in den nächsten ein bis zwei Jahren sehr bekannt werden wird. Es gibt natürlich tolle Leute und auch nicht zu knapp.
„Flo hat ein unglaubliches Händchen mit Kindern“
Danny: Am Ende haben „Deine Freunde“ nur Glück gehabt. Das hätte auch keinen interessieren können. Dann hätten wir eben nicht weitergemacht.
Matthias: Aber ihr habt weitergemacht. Woher kommt denn diese Kraft, die das hat?
Danny: Ich glaube, es ist live unglaublich gut. Selbst ich habe immer noch extrem Spaß, mir diese Konzerte anzugucken, weil ich das für extrem gutes Entertainment halte. Flo hat ein unglaubliches Händchen mit Kindern. Es ist krass, wie er mit Kindern umgeht, wie er sie ernst nimmt und auf sie zugeht.
Lukas: Das ist eine Mischung aus Text und Musik bei uns. Es ist eine sauber zu konsumierende Musik, wir entwickeln keine Musik, die sich sperrig anfühlt. Ich höre privat auch Popmusik oder Techno oder sowas. Die Texte von Flo halten den Menschen den Spiegel vor.
Danny: Ich glaube, das Liveding, also wie ihr es mit Kindern macht, überzeugt extrem viele Leute. Das erste Konzert in Leipzig war vor 24 Leuten, beim nächsten Mal waren es knapp 100, dann kamen 400 und jetzt waren es 1300.
„Social Media spielt auch eine wichtige Rolle“
Matthias: Da ist doch eine Kraft. Es könnte ja auch umgekehrt sein …
Lukas: Da spielt Social Media ja auch eine wichtige Rolle. Nach einem Konzert sind immer 50-60 Kommentare drunter von Eltern, die es gut fanden. Die verlinken das zu Freunden und Bekannten, wir bemühen uns auch, schnell zu antworten. Diese Kommunikation ist sehr wichtig für uns.
Matthias: Inwieweit habt ihr mit der Tradition was am Hut? Ich habe ein Video mit Rolf Zuckowski gesehen: „Wie schön, dass du geboren bist“, am Anfang hast du Lakomy erwähnt. Ist sowas wichtig für euch?
Lukas: Für mich hat Reinhard Lakomy eine Bedeutung. Es berührt mich. Aus privaten Gründen. Mit Rolf bin ich gar nicht aufgewachsen.
Danny: Ich bin auch im Osten aufgewachsen. Zum Beispiel mit Gerhard Schöne.
Lukas: Oh ja, Gerhard Schöne, der hat auch tolle Sachen gemacht. Kennst du dieses Lied von dem Jungen, der in der Badewanne sitzt …?
Matthias: Der Meeresbezwinger Thomas?
„Nicht zu tief in Kindheitserinnerungen kramen“
Lukas: Ein Megasong. Der ist ja magisch, auch, wenn ich ihn jetzt als Erwachsener höre. Gerhard Schöne, das ist ja ein Liedermacher, der richtig poetische Sachen macht.
Matthias: Das soll sich ja auch nicht ausschließen. Ich kann es vielleicht nicht so gut wie Gerhard Schöne, aber ich versuche auch, poetisch zu sein.
Danny: Gerhard Schöne. Das sind superschöne Kindheitserinnerungen, aber man sollte nicht zu tief darin kramen. Mir geht das bei manchen Kinderfilmen so, dass ich die wiedersehe und dann enttäuscht davon bin.
Lukas: „Wie schön, dass du geboren bist“ haben wir nie live gespielt. Den haben wir einerseits aus Dankbarkeit für Rolf gemacht und weil wir uns ein bisschen erhofft haben, mit einem bekannten Song Aufmerksamkeit zu kriegen. Ist nicht unser stärkster Song …
Danny: Ich finde das Video gut. (lacht)
Lukas: Ich finde das Video auch gut.
Matthias: Das finde ich auch. Und ich finde es schön und nett, dass wir uns unterhalten haben.
Lukas: Das finde ich auch. Dialog immer gern.
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[…] war, haben wir drei Teile daraus gemacht. Teil eins könnt ihr hier nachlesen. Teil zwei und drei folgen in den nächsten […]