Handgemachte Musik für Kinder – Die erste kindermusik.de-Bühne auf der Didacta 2018 (Teil 2)

Vom 20. – 24. Februar 2018 fand in Hannover die alljährliche Bildungsmesse Didacta statt.

Eigentlich nichts Besonderes, hätte es nicht eine sehr spezielle Neuerung gegeben: Auf der Didacta können sich Menschen, die etwas zum Kinderlied in Deutschland beitragen, jedes Jahr auf einer Kinderliederbühne präsentieren. In diesem Jahr wurde die Bühne zum ersten Mal unter der Trägerschaft von kindermusik.de durchgeführt.

Wie es dazu kam und was es damit auf sich hat erklärte der Organisator der Bühne, Wolfgang Hering aus Groß-Gerau, im ersten Teil des Gesprächs mit seinem Künstlerkollegen Matthias Meyer-Göllner vom Kinderlieder-Magazin.

Im zweiten Teil des Interviews geht es um Kinderlieder aus der ganzen Welt, um Finger-, Klatsch- und Kreisspiele und ihr erfahrt, was bei der kindermusik.de Bühne auf der Didacta im Mittelpunkt steht.

– Ein Gespräch zwischen Wolfgang Hering und Matthias Meyer-Göllner –

Matthias Meyer-Göllner und Wolfgang Hering üben Fingerspiele auf der Didacta 2018

Matthias Meyer-Göllner und Wolfgang Hering üben Fingerspiele auf der Didacta 2018

Matthias: Auf der kindermusik.de-Bühne der diesjährigen didacta stellt sich jeder Künstler mit kleinen halbstündigen Spots vor. Was hast du denn Neues dabei?

Wolfgang: Ich habe ein Projekt, das mir sehr am Herzen liegt. Lieder aus der ganzen Welt, die ich gesammelt habe. Kinderlieder, aber auch Tanz- und Bewegungslieder. Oft wird in anderen Kulturen nicht so zwischen Kinder- und Erwachsenenmusik differenziert, wie bei uns.

Matthias: Hast du die auf deinen Weltreisen gesammelt, die du in den letzten Jahren verstärkt gemacht hast? 

Wolfgang: Auch. Ich bin gern auf Reisen, das war schon immer so. Und ich fahre natürlich dorthin, um meine Lieder zu präsentieren. Aber ich frage auch immer: Was habt ihr denn für Lieder? Könnt ihr mir etwas in eurer Landessprache beibringen? Ich frage Musiklehrer, Erzieherinnen und Kinder und ich recherchiere natürlich auch. Außerdem mache ich schon seit längerem auch Seminare zu dem Thema. Dann habe ich oft auch Menschen mit einem anderen kulturellen Background dabei, die ich nach Liedern frage.

„Ich versuche, die Spielidee hinter jedem Lied beim Übersetzen zu übertragen“

Matthias: Machst du die dann in der Originalsprache oder übersetzt du sie? 

Wolfgang: Es gibt immer mehrere Pfeiler. Zunächst einmal gibt es das Fingerspiel oder das Klatschspiel in der Originalsprache. Dann brauche ich natürlich eine Übersetzung, um zu verstehen, was der Inhalt bedeutet. Manchmal ist die Übersetzung auf Englisch oder Französisch. Mein Job ist es dann, die Texte sinngemäß ins Deutsche zu übertragen. Das sind keine genauen Übersetzungen. Ich finde, wörtliche Übersetzungen lassen sich oft schwer singen. Ich spreche deshalb gerne von einer Textübertragung. Ich versuche dabei immer, die Spielidee, die dahintersteckt, zu übertragen.

Es gibt da ein Puppenspiel aus Spanien, das auch in Mexiko gesungen wird, „Pimpón es un muñeco“. Es wird eine Puppe beschrieben, Pimpón, die macht verschiedene Bewegungen. Sie isst, sie kämmt sich die Haare, sie wäscht sich ihre Hände mit Wasser. Die Bewegungen machen die Kinder mit. Ich lasse mir immer genau beschreiben, wie diese Lieder gespielt werden. Diese Spielfassung versuche ich, ins Deutsche zu übertragen. Außerdem gibt es noch eine Lautschriftfassung für uns, damit wir das Lied in der Originalsprache singen können. Vier Pfeiler also: Originaltext, Übersetzung, Übertragung und Lautschriftfassung.

„Über zwanzig Sprachen sind auf der CD zu hören“

Matthias: Ich lese hier: Verlag für bilinguale Kinderbücher. Hast du schon häufiger mit denen zusammengearbeitet?

Wolfgang: Nein, mit diesem Verlag ist es das erste Projekt. Die sind spezialisiert auf Zweisprachigkeit. Viele Menschen in Deutschland wachsen mit zwei Sprachen auf. Nicht nur Englisch oder Französisch, sondern natürlich z.B. auch Türkisch und Arabisch. Dann die Sprachen vieler Flüchtlingskinder wie Dari, Urdo oder Farsi. Von daher ist die Produktion bei dem Verlag gut aufgehoben. Wir haben ja fast alle Lieder auch zweisprachig aufgenommen.

Matthias: Und da findest du „Native Speaker“ in den jeweiligen Sprachen? Oder singst du selbst in den Originalsprachen?

Wolfgang: Ich oder meine Sängerin singen das auf Deutsch. Und ich habe dann Kinder, Erzieherinnen, Lehrer oder andere Erwachsene gesucht, die das in der Originalsprache können.

Matthias: Das ist gar nicht so einfach, oder? Jemanden zu finden, der zum Beispiel Farsi spricht und dann auch noch singen kann? Wie machst du das?

Wolfgang: Das ist dann die Kunst! Es war nicht immer einfach. Ich hatte beispielsweise eine türkische Sängerin, mit der ich die Lieder eingeübt hatte. Wir hatten einen Studiotermin ausgemacht, aber sie kam nicht. Schließlich hat sich rausgestellt, dass ihr Mann das nicht erlaubt hat. Sowas passiert auch.

Oder ich hatte mit einem Jungen aus Afghanistan abgesprochen, dass er bei zwei Liedern mitwirkt. Der hat dann kurz vorher abgesagt, weil er vermutlich befürchtete, dass sein Asylantrag gefährdet wäre.

Manche glauben auch, dass damit Millionen verdient würden und dass es zu kommerziell sei. Da muss man Bedenken ausräumen und in Kommunikation miteinander treten. Aber schließlich ist es gelungen, dass über zwanzig Sprachen in dieser Produktion zumeist zweisprachig zu hören sind.

„Früher konnte jedes Kind durchschnittlich 20 bis 30 Kinderspiele“

Matthias: Du hast auch noch ein zweites Projekt, das du hier vorstellst: Ein neues Fingerspielbuch.

Wolfgang: Ich habe auch Finger-, Klatsch und Kreisspiele gesammelt. Es gibt auf der Welt noch häufig die Kinder, die sich draußen treffen und miteinander im Kreis spielen, singen und klatschen. Noch in den 20er- und 30er-Jahren, bevor die Medien ihren Siegeszug antraten, konnte jedes Kind auch bei uns durchschnittlich zwischen 20 und 30 Kinderspiele.

Die Kinder haben sich draußen auf der Straße getroffen, um zum Beispiel „Himmel und Hölle“ zu spielen, also Hüpfspiele, Seilspringen und auch Klatschspiele: „Bei Müllers hat’s gebrannt“ oder sowas. So ähnlich ist es heute noch in vielen Regionen der Welt.

Matthias: Wie heißt das Fingerspielbuch?

Wolfgang: Es heißt „Mit 10 Fingern um die Welt“. Da habe ich mich auf das beschränkt, was man mit den Händen machen kann. Fingerspiele, Klatschspiele und Spiele, bei denen etwas im Kreis rumgeht.

Matthias: Wir wissen ja beide um die Bedeutung, die Fingerspiele haben, weil sie in vielen Bereichen Grundlegendes vermitteln. Könntest du mir mal eines beibringen?

Wolfgang: Okay, vielleicht ein traditionelles deutsches Fingerspiel?

Matthias: Gern.

Wolfgang: Kennst du das mit den fünf Kartoffelmännern?

Matthias: Nein, das mit den fünf Kartoffelmännern würde ich gerne lernen.

Wolfgang: Das ist ein überliefertes Spiel, das mir jemand gezeigt hat.

Matthias: Dieses Fingerspiel wird man bei Fingerspiel-TV sehen können. Wolfgang, „Mit 10 Fingern um die Welt“ ist wo erschienen?

Wolfgang: Das ist beim Helbling-Verlag erschienen.

Matthias: Und dafür hast du jetzt Feldaufnahmen gemacht?

Wolfgang: Hier sind ja noch viel mehr Sprachen drin, teilweise so etwas exotisches wie Mandarin, die Hauptsprache Chinas. Aber es gibt auch Spiele aus Indien, Myanmar, Thailand, den Philippinen. Da sind über 100 Tonbeispiele entstanden, die man zusätzlich zu dem Buch mit Hilfe eines Codes im Internet finden kann.

„Handgemachte Musik und Programme, die die Kinder ernst nehmen“

Matthias: Noch einmal zurück zu unserer Bühne. Was erwartest du dir noch? Was wünschst du dir?

Wolfgang: Ich wünsche mir, dass das angenommen wird, dass wir viel Publikum haben werden, dass die Stimmung gut wird und dass die Bühne auch zum Austausch genutzt wird. Ich empfände es als Mangel, wenn es nicht mehr diese Möglichkeit gäbe, sich auf der Bildungsmesse live zu präsentieren.

Ich glaube, wir haben in diesem Jahr ein besonders gelungenes Programm zusammengestellt, bei dem die musikpädagogische Qualität im Mittelpunkt steht. Handgemachte Musik, die sich bewährt hat in der Arbeit mit Kindern und Programme, die die Kinder ernst nehmen.

Matthias: Werden wir von kindermusik.de in Zukunft immer die Livebühne auf der Didacta organisieren und tragen?

Wolfgang: Ich muss das jetzt erstmal sacken lassen. Wenn es gut ankommt und sich bewährt, würde ich die Organisation nochmal machen. Die nächste Messe ist ja in Köln. Wenn kindermusik.de das wieder unterstützt – auch finanziell – sodass die Unwägbarkeiten bei der Planung aufgefangen werden, dann würde ich mich wieder darum kümmern.

Matthias: Dann freuen wir uns auf 2019 in Köln!

 

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