Die GEMA ist wie Zahnseide: Ein Gespräch mit Matthias Meyer-Göllner
Sandra Faryn alias „Faryna“ aus Herford war in diesem Jahr zu Gast beim Kinderliedermitmachfestival in Kiel. Sie ist im Hauptberuf Grundschullehrerin und hat sich mit Liedern zum Schwerpunkt „Musik und Bewegung“ einen Namen gemacht. Am Rande des Festivals hat sie Matthias Meyer-Göllner, mit dem sie zusammen auf der Bühne stand, Fragen zu seinem 25-jährigen Bühnenjubiläum gestellt.
– Matthias Meyer-Göllner im Gespräch mit Sandra Faryn –
Sandra: Seit wann machst du Kindermusik und wie bist du darauf gekommen?
Matthias: Auf der Urkunde von der IHK steht der 1. Juli 1992 als Datum, aber Kindermusik mache ich schon viel länger. Angefangen habe ich als Schüler in der Theater-AG mit Grips-Theater-Stücken. Da war ich immer für die Lieder zuständig. „Doof gebor’n ist keiner“ oder „Trau dich“ und natürlich „Wer sagt, dass Mädchen dümmer sind“.
Später habe ich während des Studiums angefangen, in Kinderläden Musik zu machen. Da kamen die Songs von Fritz Vahle und Gerhard Schöne dazu und natürlich „Der Baggerführer Willibald“. Und Anfang der 90er entstanden dann auch die ersten eigenen Songs.
„Der Montag ist kein guter Tag für Konzerte“
Sandra: Wie sieht die Woche eines Kinderliedermusikers aus?
Matthias: Zum Glück sehr abwechslungsreich. So ein fester Stunden- oder Arbeitsplan wäre nicht mein Ding. Wenn keine Veranstaltungen sind, muss ich im Büro sitzen und meine Termine organisieren oder Buchführung machen. So ist es manchmal am Montag. Wegen des Montagsmonsters kein guter Tag für Konzerte.
Am Dienstag könnte dann ein Konzert in der KiTa sein, am liebsten am Vormittag, da sind die Kinder noch fit und lassen sich am besten auf die Musik ein. Mit fahren, aufbauen, Konzert spielen und das Ganze zurück ist so ein Vormittag schnell rum. Am Nachmittag könnte dann Studioarbeit anliegen, meistens erstmal allein. Da viele Musiker auch noch unterrichten, sind sie am Nachmittag meist beschäftigt, sodass ich mit den Kollegen oft am Abend arbeite.
Am Mittwoch gebe ich dann womöglich eine Fortbildung für Menschen, die mit Liedern und Musik arbeiten möchten. Und die natürlich mit Kindern zu tun haben. Ich habe da inzwischen ein breites Repertoire an Themen, die ich im gesamten deutschsprachigen Raum anbiete.
„Ich verbringe einige Zeit in Sitzungen mit Kaffee und Keksen“
Am Donnerstag könnte es sein, dass ich mit meiner Band, der „Zappelbande“, spiele. Oft sind wir dann Müllpiraten und treten in einer Grundschule auf. Da dauert Auf-und Abbau schon ein bisschen länger und ein Vormittag ist mehr als verstrichen, wenn wir wieder zu Hause sind.
Da wartet am Nachmittag vielleicht noch eine Besprechung: Mit Veranstaltern, Projektanbietern, Mitarbeiterinnen oder dem Steuerberater. Ich verbringe einige Zeit in solchen Sitzungen mit Kaffee und Keksen.
Am Freitag meiner Modellwoche fahre ich nach Hamburg in den Verlag, um laufende CD und Buchprojekte zu besprechen und abzustimmen. Eventuell muss dort auch noch mal eine Gesangsspur oder ein Trailer aufgenommen werden. Am Abend fahre ich – gerade jetzt im Sommer häufig – zum Lagerfeuerkonzert an die Ostsee. Für Kinder ist es besonders spannend, wenn die Konzerte für sie mal nicht am Tag, sondern am Abend stattfinden. Das erzeugt eine besondere Atmosphäre.
„Es ist schwieriger, die Familien zu einzelnen Konzerten zu locken“
Am Samstag werden meist Feste in KiTas gefeiert. Da bin ich oft zu Gast – in den verschiedenen Jahreszeiten zu unterschiedlichen Partys. Jetzt sind es die Sommer- oder Schultütenfeste, im Herbst dreht sich alles um Lichter und Laternen, im Dezember werden Advents- und Weihnachtsfeiern veranstaltet. Dann geht es um die Faschingszeit weiter und vereinzelt gibt es auch Frühlingsfeste im April und Mai.
Früher habe ich am Sonntag häufig Familienkonzerte veranstaltet. Das ist seltener geworden, weil es schwieriger ist, die Familien zu einem einzelnen Konzert zu locken. Dafür ist die Konkurrenz der größeren Feste, die mit verschiedenen Angeboten locken, einfach zu groß geworden. Dafür spiele ich jetzt häufiger bei solchen Veranstaltungen und hoffe, da Kinder zu finden, die Lust haben mitzumachen.
„Ich komme mir oft vor wie ein Tellerjongleur im Zirkus“
Sandra: Viele ambitionierte Musiker stellen sich diesen Beruf sicher nicht so vielseitig vor, wie er ist. Es reicht meistens nicht aus, Lieder auf der Bühne zu präsentieren. Erzähle doch bitte, wie du dein Geld verdienst.
Matthias: Ich komme mir oft vor wie ein Tellerjongleur im Zirkus: Man bringt einen Teller in Schwung, stellt ihn ab, nimmt den nächsten, bringt ihn in Schwung und so weiter. Zwischendurch muss man immer wieder zu den ersten Tellern zurück, um ihnen so viel Schwung zu geben, damit sie nicht runterfallen. Die Balance zu halten zwischen den vielen verschiedenen Projekten, ist manchmal gar nicht so einfach. Aber das ist die hohe Kunst: Alle Teller in Schwung zu halten.
Livekonzerte, Fortbildungen, Projekte machen sicherlich den Hauptverdienst aus, CDs und Bücher sind – jedenfalls bei mir – eher Zusatzgeschäfte. Aber sie sind wichtig, denn ohne sie drehen sich die anderen Teller nicht. Ein Einkommensfaktor, der in den letzten Jahren für mich immer wichtiger geworden ist, ist die GEMA. Das habe ich als junger Musiker doch stark unterschätzt.
„Ich träume immer noch von einer Akademie für angehende Kinderliedermacher“
Sandra: Hast du Tipps für junge Kinderliedermacher und solche, die es werden wollen?
Matthias: Tipps geben klingt immer so, als wüsste man, wie es geht. Dafür sind aber die Wege zu verschieden. Trotzdem bin ich sehr daran interessiert, Erfahrungen weiterzugeben. Ich träume ja immer noch von einer Akademie für angehende Kinderliedermacherinnen und Kinderliedermacher. Und ich bin überzeugter Anhänger von Austausch und Netzwerken.
Deswegen wäre mein wichtigster Tipp zunächst: Tut euch zusammen. Besucht Kinderliederkonzerte von Kolleginnen und Kollegen. Sprecht darüber, was ihr macht. Lasst Kritik zu und versucht, davon zu profitieren. Werdet Mitglied bei kindermusik.de (auch wenn das nicht ganz so einfach ist). Und natürlich: Nehmt die GEMA ernst. Die GEMA ist wie Zahnseide: Langfristig zahlt sie sich aus.
„Mit noch mehr Selbstbewusstsein für das eigene Genre eintreten“
Sandra: Rückblick nach 25 Jahren Bühnenerfahrung als Kinderliedermacher: Was würdest du anders machen? Und was genauso?
Matthias: Da stellt sich auch immer die Determinismus-Frage: Hätte ich etwas anders machen können? Wünschen würde ich es mir. Zum Beispiel: Früher anfangen. Ich war schon fast 30 als ich losgelegt habe. Und damals habe ich viel zu wenig gespielt. Verglichen mit meinem heutigen Pensum war das Freizeit.
Zum Beispiel: Mit noch mehr Selbstbewusstsein für das eigene Genre eintreten. Es hat lange gedauert, bevor ich als Berufsbezeichnung „Kinderliedermacher“ in den Hotelmeldeschein eingetragen habe. Seit ich weiß, was ich bin, fühle ich mich besser mit dem, was ich tue.
Zum Beispiel: Ich habe viel Energie und Geld verpulvert, weil ich alles selbst machen wollte. Von den Instrumenten bei den Aufnahmen, über die CD-Produktion bis hin zur Bühnengestaltung und auch Buchführung und Steuererklärung. Das würde ich aus heutiger Perspektive gerne anders gemacht haben. Aber selbst, wenn man die Gelegenheit dazu bekäme, da nochmal was zu drehen: Würde man es tatsächlich tun? Ich habe da meine Zweifel …
„Ich empfinde das, was ich tue, als Privileg“
Deshalb würde ich wahrscheinlich alles genauso machen. Dem kurvigen Weg zum Kinderliedermacher wieder in jede kurzzeitige Abseite folgen. Und es birgt ja immerhin eine große Glückskomponente. Ich empfinde das, was ich tue, als Privileg:
Ich arbeite mit Kindern, was wunderbar ist, und werde dafür auch noch bezahlt. Es gibt zwar Dinge, auf die ich gerne verzichten würde (zum Beispiel die jährliche Meldung zur Künstlersozialabgabe), aber im Großen und Ganzen bin ich mehr als zufrieden, mit dem, was ich tue. Kann man sich etwas Schöneres vorstellen?