Das Festival des Wetters – Rocken im Regen auf der Krusenkoppel (Kieler Kinderliederwoche – Tag 8)

– Ein Text von Matthias Meyer-Göllner –

Schlammige Zeiten bei der Kieler Kinderliederwoche

Schlammige Zeiten bei der Kieler Kinderliederwoche

Zu einem richtigen Festival gehört eigentlich auch, dass es wenigstens einmal im Schlamm versinkt. Auf der Spiellinie der Krusenkoppel in Kiel können die Kinder auf der Lehmbaustelle täglich im Schlamm wühlen – am Samstag wurde es auch in den anderen Bereichen ziemlich matschig. Der guten Stimmung tat das keinen Abbruch und es war wie bei den großen Festivals: Das schlimmste Wetter bringt die konsequentesten Fans hervor – und es schweißt zusammen.

„Könnten wir uns im Backstage-Zelt mal trockene Sachen anziehen?“ Eine ganze Familie kommt von der Lehmbaustelle und steht völlig durchnässt im strömenden Regen. Sie sind froh, dass sie unser Zelt nutzen können und nachher mit großer Begeisterung beim Konzert dabei.

Rocken unterm Regenschirm

„Wo sind eure Hände?“ Mit dieser gesungenen Frage beginnt das Müllpiratenkonzert am Samstag auf der ABK-Bühne, nachdem Schlagzeug, Bass, E-Gitarre und Keyboard nacheinander eingesetzt haben. Und trotz des weiterhin prasselnden Dauerregens holen die etwa hundert unentwegten Fans die Arme aus dem Regenponcho und klatschen mit.

„Nimm uns mit!“ – so haben eine Stunde zuvor Pelemele aus Köln ihr ebenfalls regennasses Publikum aufgefordert, mit ihnen auf die Reise zu gehen, auf einen Trip in die Welt der rockigen, bewegten und hochdezibelisierten Klänge. Die Kinder stehen diesmal direkt mit auf der Bühne, wo sie nicht nass werden können. Bei Pelemele ist das kein Problem, da können sie gleich im Groove der Hummel mittanzen oder bei „Bumschakalaka“ mitsingen.

Rocken im Trockenen: Pelemele Schlagzeuger Andreas Niemann auf der Bühne der Kieler Krusenkoppel

Rocken im Trockenen: Pelemele Schlagzeuger Andreas Niemann auf der Bühne der Kieler Krusenkoppel

„Das müssen dann natürlich auch die Leute auf den Rängen“, sagt Schlagzeuger Andreas Niemann. Aber auf der Bühne hocken sie dicht an dicht mit Sänger Picco Fröhlich auf dem Boden und singen ganz leise – bevor sie gemeinsam mit der Musik wieder explodieren und noch einmal in ein mächtiges Finale einstimmen.

„No rain, no rain!“ ruft Keyboarder Uli Ebeling währenddessen auf der ABK-Bühne ins Mikro. „Das ist ja hier wie in Woodstock!“ Der Vergleich stimmt nicht ganz, auf der Krusenkoppel verlieren sich im Dauerregen ein paar hundert Menschen, wo sonst einige tausend unterwegs sind. Aber der Regen passt. Und ein bisschen auch das Rock-’n‘-Roll-Gefühl: Der Soundcheck beginnt mit der Bassdrum, die Hammerschlägen gleich über das Gelände donnert. Die dreijährige Melina bleibt interessiert stehen und setzt sich auf eine Bank.

Krusenkoppel goes Woodstock

Nachdem Müllpiratenschlagzeuger Dirk Zühlsdorff den Soundcheck beendet hat, klatscht sie sogar. Der freut sich über diesen ersten Fan. „Das Konzert geht aber erst um 16.00 Uhr los, bis dahin hört es noch auf zu regnen!“ Leider erweist es sich, dass er keine besonders guten seherischen Qualitäten hat.

Müllpiraten Keyboarder Uli Ebeling trotzt dem Regen

Müllpiraten Keyboarder Uli Ebeling trotzt dem Regen

Denen hat der Pelemeleschlagzeuger längst abgeschworen: „Ich gucke jetzt nicht mehr in die Regen-App“, hatte er beim Soundcheck beschlossen, „die zeigt sowieso ständig anderes Wetter an.“ Denn das Wetter bleibt an diesem Tag absolut woodstockig: Es regnet. Ich merke, wie meine Laune zunehmend schlechter wird: Je mehr der Konzertbeginn näher rückt, desto mehr nervt mich das Trommeln der Tropfen auf dem Zeltdach der ABK-Bühne. Wir sitzen zwar im Trockenen, aber wer wird sich bei strömendem Regen aus dem Haus trauen?

Hartgesotten und regenfest: die Kieler-Woche-Besucher

Es sind dann doch einige gekommen – schon beim Pelemelekonzert waren es ungefähr 200 hartgesottene Kieler-Woche-Gänger und auch bei uns sammelt sich eine kleine Hundertschaft. Durch Regen laufen wir auf die Bühne, in den Regen hinein spielen wir die ersten Songs, lange werden die nicht bleiben, denke ich. Nach dem dritten Song ist meine Stimmung auf dem Tiefpunkt. Der Regen scheint nochmal einen Gang zuzulegen, es wird langsam ungemütlich.

Müllpiraten Schlagzeuger Dirk Zühlsdorff wünscht sich die Regenwolken weg

Müllpiraten Schlagzeuger Dirk Zühlsdorff wünscht sich die Regenwolken weg

Aber die Kinder machen mit, klemmen sich den Regenschirm unter den einen Arm, um ihn frei zu haben für die Kehrmaschine. Auch die Erwachsenen bleiben und zaubern eine bunte Schirmwelt auf den inzwischen aufgeweichten, matschigen Hügel. Ein Vater rutscht aus und fällt hin, aber selbst das hält ihn nicht davon ab, weiter bei uns zu bleiben. Das sind wirklich tolle Fans, denke ich. Und langsam hebt sich meine Laune. Und wird von Stück zu Stück besser.

„Super geiler Gig, nur Regen!“

Das scheint sich auf die gesamte Stimmung zu übertragen. Wir sind inzwischen sowas wie eine eingeschworene Gemeinschaft geworden und halten am Schluss trotzig dem Regen unsere „1000 Segel“ entgegen. Und dann geht bei der Zugabe nochmal vampirmäßig die Post ab. „Super geiler Gig, nur Regen!“ schreibt mir Andreas nachher per SMS über die Pelemele-Show. Das kann ich auch für uns unterschreiben. Beim Hurricane-Festival wurde heute nicht gespielt. Das Southside-Festival musste ganz abgesagt werden. Da hatten wir es doch heute richtig gemütlich und hoffen für den Sonntag auf einen glänzenden Abschluss.

Link:

Bühnenprogramm der Kieler Kinderliederwoche 2016

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