2 mal 3 Fragen an … Johannes Kleist
Wo er auftaucht, wird gesungen, getanzt und gelacht. Bei seinen Mitmach-Konzerten geht´s richtig rund. JOHANNES KLEIST beweist eindrucksvoll, dass man selbst bei 1,92 m Körpergröße auf Augenhöhe mit den Kindern sein kann. Ohne viel Tamtam – dafür mit Humor und Schwung – werden Groß und Klein Teil der Show.
Schon als kleiner Knirps antwortet Johannes auf die Frage nach seinem Berufswunsch: „Musiker!“. Er beginnt mit der obligatorischen Blockflöte, spielt auf Mutters Tupperware Schlagzeug und nimmt Klavier, Keyboard und Gitarre unter seine Finger. Nach dem Studium gründet der Diplom-Pädagoge in Köln eine Musikschule für Kinder, die ihm auch als Ideenpool für seine Lieder dient. Seit 2010 ist der kreative Kopf mit seinem CD-Buch „Wi-Wa-Wackelzahn“ unterwegs zu Auftritten und praxisorientierten Fortbildungen. Ob in der Kita, der Schule, auf der Kieler Woche, dem Weltkindertag in Berlin oder der Didacta 2016 in Köln: Mehr als eine Steckdose und etwas Platz braucht es nicht, um loszulegen. Zurzeit arbeitet der Musiker an einer neuen CD.
– Fragen von Elke Kamper –
Was macht ein Lied zum Kinderlied und wie einfach darf es sein?
Letztendlich ist es die von Erwachsenen dafür erfundene Definition – und die ändert sich bekanntermaßen über die Jahre. Der Nachwuchs dagegen hört sowieso, was ihm gefällt. Wenn die Melodie hängen bleibt, der Text ins Herz trifft, den Verstand herausfordert, Humor beweist oder die Fantasie beflügelt, passt´s. Ich glaube, der Zauber liegt darin, einen Teil von sich und seiner aktuellen Lebenswelt in einem Lied wiederzufinden oder neu zu entdecken, egal in welchem Alter. Im Kinderbereich entscheiden der passende Tonumfang und die Komplexität dann meist, ob die Lieder auch gesungen oder eher nur gehört werden. Das ist zuhause nicht anders als in der Kita und der Schule.
Die Begriffe „einfach“ und „Kinderlied“ gehören allerdings nicht zwangsweise zusammen. Manche Lieder gehen runter wie Butter, in andere muss man sich erst reinhören und es gibt immer etwas Neues zu entdecken und vielleicht auch nachzufragen.
„Einfach“ ist generell nichts Schlechtes – einfallslos schon. Diese nullachtfünfzehn Ballermann-Kinderlieder sind beispielsweise nicht so meine Baustelle. Unsere Pänz sind nämlich nicht blöd.
Egal ob für Kinder oder Erwachsene: Ein Song muss das gewisse Etwas haben. Das kann die Melodie, der Aufbau, der Text, die Mitmachidee dahinter oder eine Mischung von allem sein.
Nur einfach oder nur kompliziert ist langweilig. Abwechslung ist Trumpf. Wir wollen ja auch nicht jeden Tag eine Mitgrölhymne oder Free Jazz zum Frühstück.
Welches Kinderlied gefällt dir besonders gut und warum?
Ich mag ausgefallene Ideen, Humor bis unter die Schädeldecke, Musikstil-Salat von Klassik bis Rock, poetische Texte, mitreißende Bewegungslieder, aber: Ich bin ein verdammt schlechter Entscheider. Allein bei kindermusik.de gibt es mehr als 40 Kinderliedermacher und Bands, die viele viele CDs gemacht haben. Hört euch selber durch :o)
Warum bist du ein guter Kinderlied-Erfinder?
Das berühmte Kind im Manne. Ich arbeite in meiner Musikschule (IKM Köln-Nord) seit 15 Jahren mit „den lieben Kleinen“ zusammen und bekomme so jeden Tag Einblick in deren Welt und zig Ideen für meine Lieder. Wenn eins fertig ist, kann ich´s direkt ausprobieren, ggf. verbessern oder vorerst wieder zum Reifen in der Ideenkiste verschwinden lassen. So sind Mitmach-Konzert-Programme für das ganze Jahr entstanden: „Wi-Wa-Wackelzahn“, „Guten Morgen Welt“, „Ganz schön jeck“ für Karneval und „Schön verrückte Winterzeit“.
Außerdem versuche ich, meine Lieder so zu schreiben, dass Kinder, Erzieher/innen und Lehrer/innen sie relativ schnell lernen und mit einfachen Mitteln selber singen können. Wie heißt es so schön: Ein guter Song funktioniert mit einer Gitarre und einer Stimme. Finde ich besser, als auf fett produzierte CDs angewiesen zu sein, weil´s sonst nicht klingt.
Johannes, muss man, wenn man wie du Diplom-Pädagoge ist, eigentlich ganz viele didaktische Kinderlieder schreiben? Oder anders gefragt, darf es beim Kinderlied auch einfach mal nur albern zugehen?
Der Diplom-Pädagoge liegt als Urkunde in irgendeinem Ordner. Der hilft mir eher beim Gestalten meiner Fortbildungen. Die Lieder schreibe ich aus dem Bauch und der spontanen Idee heraus. Je mehr man da den Kopf einschaltet, desto weniger funktioniert das. Der Song, mit dem ich beim Kinderliederwettbewerb der Nürnberger Nachrichten 2015 unter die besten 11 gekommen bin, heißt „Schubi dubi du“ und handelt zum Beispiel von einem tanzenden Spiegelei.
Quatsch darf natürlich ganz genauso sein wie was zum Rätseln und zur Förderung der Koordination (Zebra Zottels Zoobesuch) oder eine Prise Mathematik. Im „Karneval der Tiere“ ist die Zweier-Reihe versteckt und mit viel Bewegung verknüpft. Die Kuh verkleidet sich als Hexe, das Huhn spricht Kölsch und das Känguru hüpft als Supermann durch die Gegend. Ohne Spaß und Albernheiten wäre die Welt eine traurige und unerträglich ernste Angelegenheit. Wer Monty Python kennt, weiß, was ich meine.
Du bist als Kinderliedermacher alleine mit deiner Gitarre auf den Bühnen in Deutschland unterwegs! Hast du manchmal den Wunsch, mit Band aufzutreten oder ein Playback bei den Auftritten zu benutzen?
Ja, eine Band ist eine wunderbare Sache und schafft viele Möglichkeiten, die man als One-Man-Show nicht hat. Man kann vielschichtiger arrangieren, Aufgaben abgeben und seine Erlebnisse vor und nach dem Konzert mit den anderen teilen. Allerdings erhöht sich auch der Aufwand und oft ist der finanzielle Rahmen bei Veranstaltungen dafür nicht gegeben. Beim Kindermusikfestival in Bielefeld haben mich viele tolle Kollegen als Band unterstützt. Das war großartig. Ich werde bestimmt mal ausprobieren, eine eigene Truppe auf die Beine zu stellen.
Backing-Tracks, also Studioaufnahmen der Musik, nutze ich hin und wieder und singe dann live dazu. Das gibt mir die Möglichkeit, die Gitarre aus der Hand zu legen und mich auf der Bühne freier zusammen mit den Kindern zu bewegen. Neulich im Amphitheater Senftenberg hatte ich sechzig tanzende Kinder auf der Bühne. Da ist man schon froh, wenn man nicht darauf achten muss, ob der Gitarrenhals gerade Unheil anrichtet. Der Nachteil: Ich bin an den Ablauf und das Tempo gebunden und nicht so flexibel.
Ein ganzes Konzert vom Band wäre mir zu langweilig, nimmt die Energie und die Spontaneität. Das käme mir vor wie mit angezogener Handbremse und würde den Kindern nicht gerecht.
Was wünschst du dir für die Kinderliederszene im deutschsprachigen Bereich?
- Dass sie mehr in ihrer ganzen bunten Bandbreite wahr- und ernstgenommen wird. In sogenannter Kindermusik steckt genauso viel Arbeit, Zeit, Energie und finanzieller Aufwand wie in allen anderen Musikbereichen auch.
- Eine größere mediale Aufmerksamkeit.
- Radio- und Fernsehsender, die sich trauen, wieder feste Sendeplätze für Kindermusik einzurichten und die auch abseits des Mainstreams senden.
- Kindermusikfestivals in möglichst vielen Ecken Deutschlands.
- Viele kreative Köpfe, die weiter ihr Ding machen und eine Menge Spannendes entstehen lassen.
- Dass sie weiter wächst und gedeiht.
Leider kann man nur einmal den „gefällt mir“ Button drücken.