2 mal 3 Fragen an … Helmut Meier
HELMUT MEIER arbeitet seit 1981 als Musiker, zunächst unter dem Namen „Liedermeier“. Ab 1982 konzipierte und gab er Seminare in der politischen Erwachsenenbildung, in der Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer und für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit. Seit Ende der 80er-Jahre standen auch Musik und Texte für Kabarett und Theater auf seinem Programm. Anfang der Neunziger machte er dann erste eigene Kinderlieder. Dabei ist seine Maxime: Die Kinder sind die Helden des Programms – sie stehen im Mittelpunkt. Mittlerweile kann er auf zahlreiche Bühnenprogramme solo und in verschiedenen Besetzungen, CD- und Buchproduktionen und Arbeiten für Rundfunk und Fernsehen zurückblicken. Außerdem war er mehrfach in der SWF Liederbestenliste platziert und Förderpreisträger derselben und gewann den Kabarettpreis „Cup der guten Hoffnung“. In Rheinhausen – jetzt Duisburg –, im Schnittpunkt von Ruhrgebiet und Niederrhein geboren, lebte er von 2005 bis 2009 in Hamburg und mittlerweile in Dithmarschen an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste.
– Fragen von Matthias Meyer-Göllner –
Was macht aus deiner Sicht ein Lied zum Kinderlied?
Das entscheidet jedes Kind für sich. Ich versuche; das mal aufzudröseln: Wenn ein Liedtext die Erlebnis- und Verständniswelt des Kindes trifft, wenn Melodie und Rhythmus für das Kind nachvollziehbar sind, ist das Lied wahrscheinlich als Kinderlied geeignet; umso mehr, wenn es zum Mitmachen einlädt – durch Singen, durch Bewegen, durch Tanzen; oder wenn es zum Nachdenken oder Träumen anregt – vielleicht durch eine bestimmte Melodie, ein spezielles Arrangement, durch besondere Klänge oder eine fesselnde Geschichte. Die Grenze vom Kinderlied zum Lied ist fließend, so, wie die Grenze vom Kind zum Jugendlichen fließend ist.
Welches Kinderlied gefällt dir besonders und warum?
Es gibt mehrere Kinderlieder, die mir besonders gut gefallen. Ich nenne hier mal ein bekannteres, damit sich nachvollziehen lässt, was ich so gut daran finde: „Anne Kaffeekanne“ von Fredrik Vahle. Die Melodie ist einfach mit- oder nachsingbar. Die Instrumentierung ist „handgemacht“ und wirkt lebendig. Der Strophenteil gibt dem klar verständlichen Text der jeweiligen Episode viel Raum. Der Text ist phantasievoll. Der Refrain ist schwungvoll und unterstützt rhythmisch-musikalisch seinen Inhalt, und man kann sich sogar noch Bewegungen dazu ausdenken. Alles in allem eine lustige und interessante Geschichte, die „augenzwinkernd“ ein gesellschaftspolitisches Anliegen (hier: Feminismus) anspricht und damit Anknüpfungspunkte für weitere, vielleicht sogar tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema schafft.
Warum bist du ein guter Kinderlied-Erfinder?
Ob ich das bin, müssen andere entscheiden. Aber ich habe bei meinen Auftritten immerhin das Gefühl, den Vier- bis Zehnjährigen eine Stunde anregender Unterhaltung zu liefern, die sie ungezwungen dazu bringt, mitzusingen, sich zu bewegen, mitzumachen und mitzulachen und sich dem ein oder anderen Thema spielerisch anzunähern, ohne dass es gleich kopflastig wird.
Welche Bedeutung hat die Gitarre für deine Arbeit?
Die Gitarre ist, neben der Stimme, „mein“ Instrument. Ich spiele auch Mandoline und Ukulele und Flöte, Bass und Saxophon habe ich viele Jahre gespielt, aber, wenn ich ein Lied schreibe, orientiere ich mich fast immer an der akustischen Gitarre, selbst wenn das Lied später auf der Bühne oder auf der CD vielleicht gar nicht mit der Gitarre begleitet wird. Ich fühle mich mit der Gitarre sehr wohl, und wenn Hella (Anmerkung der Redaktion: seine Lebensgefährtin) mich provozieren will, sagt sie, die Gitarre sei doch sowieso meine einzige Freundin. Aber das ist natürlich Kokolores – es gibt da ja auch noch die Ukulele …
Gibt es in Deutschland regionale Unterschiede in der Rezeption und Aufführungspraxis von Kinderliedern?
Wenn ich mir anschaue, welchen Stellenwert Musik für Kinder in Schleswig-Holstein im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen hat, dann ist der Unterschied schon auffällig. Auch wenn es nicht für jede einzelne Schule, jede/n KulturpolitikerIn, jede/n ErzieherIn gilt: In Schleswig-Holstein hat sich die positive Wirkung von Musik auf Kinder und der kulturelle Wert von Kinderlieder-Schulkonzerten noch nicht so richtig herumgesprochen. Immer wieder muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. In NRW läuft man da eher durch offene Türen.
„Kulturelle Bildung von Kindern ist nicht so interessant, wie die Weltmeisterschaft im Krauthobeln“
Das hat vielleicht mit der Bevölkerungsdichte, mit ländlicher oder städtischer Prägung und sicherlich auch mit dem politischen Willen der jeweiligen Landesregierung zu tun; man kann sich ja vorstellen, dass es jeder/m SchulrektorIn leichter fällt, ein Schulkonzert zu veranstalten, wenn z.B. finanzielle Unterstützung vom Landesministerium dafür angeboten wird, denn es verdeutlicht, dass kulturelle Bildung politisch gewollt ist. Und wenn sie nicht in der KiTa oder spätestens in der Grundschule einsetzt, kann das nachhaltige Folgen für die Interessensprägung der Kinder haben. In Schleswig-Holstein habe ich manchmal den Eindruck, dass die kulturelle Bildung von Kindern in der Wahrnehmung der Entscheidungsträger einfach nicht so interessant ist, wie die Weltmeisterschaft im Krauthobeln.
Welche Bedeutung hat deiner Ansicht nach das Urheberrecht für die Existenz von Kinderliedermacherinnen und Kinderliedermachern?
Man darf davon ausgehen, dass die Kinderliedermacherinnen und Kinderliedermacher in der Regel ihre Lieder selbst komponieren und/oder texten und nur gelegentlich auf Lieder von KollegInnen oder auf traditionelle Kinderlieder zurückgreifen. Damit können die Künstler immerhin noch Tantiemen für ihre Kompositionen und/oder Texte einnehmen. Diese können einen nennenswerten Teil des Einkommens ausmachen, was eine vor einigen Jahren von der GEMA veröffentlichte Statistik unterstreicht.
„Das Urheberrecht ist entscheidend für die Existenzsicherung von Kinderliedermachern“
Danach verdienten freiberufliche MusikerInnen in der BRD pro Monat durchschnittlich ca. 850 Euro (!), freiberufliche KomponistInnen ca. 1.100 Euro. Bei aller Skepsis gegenüber Statistiken zeigt sich hier doch das Potenzial, das in der Verwertung des Urheberrechts steckt. Fazit: Das Urheberrecht ist entscheidend für die Existenzsicherung der meisten Kinderliedermacherinnen und Kinderliedermacher – und ebenso für alle anderen KomponistInnen und TexterInnen.
Link:
Erhobener Zeigefinger und Kinderlieder…. das passt schon mal gut…. Und jetzt lese ich den Artikel 😉