Detlev Jöcker und der Hardrockhase Harald: Ein Gespräch mit Frank Korf vom Kinderliederradio (Teil 2)

Vor beinahe vier Jahren machte sich Frank Korf aus Remagen auf die Suche nach einem Kinderlieder-Webchannel für seinen kleinen Sohn. Da er nichts Passendes fand, beschloss er, seine Erfahrungen als Betreiber von Internetstationen zu nutzen und selbst ein Kinderliederradio ins Leben zu rufen. Heute nutzen bis zu 2700 Hörer täglich sein Angebot, damit zählt er zu den 30 meistgehörten laut.fm-Stationen überhaupt.

Im ersten Teil des Gesprächs des Kinderlieder-Magazins mit Frank Korf ging es vor allem um die vier Stationen des Kinderliederradios bei laut.fm und mögliche Gründe für ihren unterschiedlichen Erfolg: Neben dem Hauptradio gibt es ein Weihnachtsradio und zwei altersgruppenspezifische Sender. „Kinderlieder 1-2-3“ richtet sich an die ganz Kleinen im „U3“-Alter, während „Kinderlieder plus“ eher die älteren Kinder ab dem Grundschulalter erreichen will.

Im zweiten Teil des Interviews erklärt Frank Korf, wie er eigentlich die Titel für das Kinderliederradio auswählt, wie schwierig es ist, einen Überblick über die Szene zu bekommen und macht klar, was die andauernde Motivation hinter seinem Projekt ist.

– Frank Korf im Gespräch mit Matthias Meyer-Göllner –

Auf Sendung: Frank Korf vom Kinderliederradio

Auf Sendung: Frank Korf vom Kinderliederradio

Matthias: Bevor wir diese Spekulation weiter vertiefen, interessiert mich nochmal, wie du dein Programm formst und auswählst. Du hast eine Datenbank mit über 2000 Titeln …

Frank: … die sind bei mir mit „Tags“, also Schlagworten versehen. Zum einen gibt es die Kategorie Sendung. Es gibt über den Tag verteilt verschiedene Formate – nachmittags eher etwas lebhaftes, abends wird es dann ruhiger. Bei „Kinderlieder plus“ gibt es zwischen 19.00 und 21.00 Uhr eine Sendung, in der überwiegend rockige Musik läuft. Andere Kategorien sind zum Beispiel die Jahreszeiten.

Matthias: Das heißt, du beschlagwortest jeden einzelnen Titel?

Frank: Wenn ich eine neue CD ins Programm nehme, gehe ich einmal durch und verteile die Schlagworte.

Matthias: Und aus deinem Gesamttitelpool nimmst du dann 400-500 und machst daraus „Kinderlieder 1-2-3“?

Frank: Ja. Bei „Kinderlieder plus“ sind es auch ungefähr 400-500. Wobei dann für jede Station unterschiedliche Datenbanken mit unterschiedlichen Schlagworten entstehen. Es kam gerade die neue CD von Mathias Lück rein. Da passten viele Titel ins Hauptprogramm, einer ging auch für U3 und drei oder vier Titel kann ich auch in das Programm für ältere Kinder stecken. Das ist nicht untypisch.

„Kindermusik zu spielen, die nicht wie Kindermusik klingt“

Matthias: Welches sind deine Kriterien? Wann sagst du: Das ist eher was für Kleinere und das geht eher für die Großen? Was kommt ins Hauptprogramm?

Frank: Kriterien für „1-2-3“ sind: Einfacher Text und einfache Melodie. Ich versuche mir vorzustellen, wie Kinder in dem Alter darauf reagieren. Bei „plus“ geht es – wie gesagt – darum, Kindermusik zu spielen, die nicht wie Kindermusik klingt. Ist das ein Titel, der mit anderem Text auch im Popradio laufen könnte?

Matthias: Und das Konzept funktioniert nicht so gut wie das Hauptradio. Ein ähnliches Phänomen erleben wir natürlich auch in anderen Kindermusik-Bereichen: Die Menschen, die zum Beispiel unsere CDs kaufen, sind überwiegend Eltern von Kindern unter 6. Das gilt auch für Familien, die mit ihren Kindern in öffentliche, frei verkäufliche Konzerte kommen: Mit den Schulkindern gehen die Eltern nicht mehr so häufig weg. Allerdings zeigen deine Zahlen ja einen Faktor 9 (Ältere: Hauptradio).

Gibt es da noch andere Erklärungen als diese allgemeinen Trends? Wir sprechen ja von Titeln, die so klingen wie Erwachsenenmusik, die aber einen kinderleichten Text haben. Wenn ich es recht überlege, bin ich mit der Idee auch mal angetreten vor 25 Jahren. Das scheint ja dann der falsche Weg zu sein!

Frank: Wenn man sich Randale, Deine Freunde oder Pelemele oder eine der vielen anderen tollen Bands, die es da gibt, ansieht, dann haben die alle ihre mehr oder weniger große Fanbase. Da scheint es zu funktionieren. Bloß als Kinderliederradio funktioniert es nicht.

Matthias: Die laufen alle auf Kinderlieder plus?

Frank: Ja, aber auch sowas wie Radau, Mai Cocopelli, Markus Reyhani, Krawallo …

„Ich finde ja eigentlich auch, dass man Kinder ruhig fordern kann“

Matthias: Kennst du „Unter meinem Bett“? Die Singer/Songwriter-Kinder-Kompilation?

Frank: Ja. Die hat illustriert, dass es gar nicht so einfach ist, Musik für Kinder zu schreiben. Wenn Pohlmann in fünf Minuten eine epische Geschichte vom Maulwurf erzählt, wo selbst meine Aufmerksamkeit als Erwachsener ziemlich gefordert ist, dann frage ich mich: Wie wirkt das auf ein Kind? Wenn in Titeln von „domestizierten“ Tieren die Rede ist: Was fängt ein Kind damit an?

Matthias: Derzeit gibt es in Berlin das Theaterstück „Die 10 Gebote“. Die beginnen ja alle mit „Du sollst …“ Deswegen singt das Ensemble am Anfang Gisbert zu Knyphausens „Immer muss ich alles sollen“ von dieser CD … Und ich finde ja eigentlich auch, dass man Kinder ruhig fordern kann.

Frank: Das ist aber wieder die Kategorie für 6-7-Jährige, das ist nichts für jüngere Kinder. Man muss natürlich bei solchen Compilations auch von Lied zu Lied gucken. Es sind durchaus auch Lieder dabei, die man 3-Jährigen anbieten kann. Der Schwerpunkt bei „Unter meinem Bett“ liegt aber bei älteren Kindern.

Matthias: Aber die CD war ja wohl ziemlich erfolgreich, wenn man dem Verlag Glauben schenken mag.

„Traditionellen Liedern ein modernes Popmusikgewand zu geben, ist ziemlich erfolgreich“

Frank: Es gibt ja inzwischen schon Volume 2. Trotzdem: Als ich sie gehört habe, dachte ich: Das klingt wie das Genuschel im Popradio, da müssen sich Mama und Papa nicht umstellen.

Matthias: Der umgekehrte Weg ist ja „Giraffenaffen“. Kennst du das auch?

Frank: Kenn ich auch.

Matthias: Die nehmen sich traditionelle Lieder vor und geben ihnen ein modernes Popmusikgewand. Das ist ziemlich erfolgreich. Die erste hat inzwischen mindestens Goldstatus …

Das Kinderliederradio von Frank Korf

Das Kinderliederradio von Frank Korf

Frank: Da sind durchaus ein paar witzige Lieder drauf, wenn zum Beispiel Thomas D. einen Song von Ernie aus der Sesamstraße rappt …

Matthias: „Hätt’ ich dich heut erwartet, hätt ich Kuchen da“. Mir gefällt allerdings die Reggae Version von „Der Wolf“ aus dem Jahre 1998 besser. ist irgendwie lustiger.

„Ich bin völlig blauäugig in dieses Kinderliederradio-Projekt gegangen“

Frank: „Unter meinem Bett“ oder „Giraffenaffen“ sind CDs, bei denen ich denke, sie sind gut, bevor die Eltern überhaupt nichts für ihre Kinder holen. Ich würde mir aber schon wünschen, dass die Eltern weitergehen und gucken, was es da sonst noch gibt.

Ich bin ja auch völlig blauäugig in dieses Kinderliederradio-Projekt gegangen, ich hatte wirklich keine Ahnung, was es da überhaupt gibt. Meine Frau ist Erzieherin und wir hatten vielleicht einen Bestand von 25 CDs, davon stammte der größte Teil von Detlev Jöcker oder Volker Rosin – was man halt so kennt. Das war mein Bild von Kindermusik. Erst in den letzten Jahren habe ich gelernt: Hups! Da gibt es ja ein sehr, sehr breites Spektrum, es gibt ja fast nichts, was man nicht findet.

Es kommen auch immer wieder tolle Künstler dazu, wo man sagen muss: Das ist qualitativ sehr gut und das kann man sich auch als Erwachsener anhören, ohne dass man weglaufen muss. Auch für kleinere Kinder, zum Beispiel Tom Lugo. Der hat eine CD gemacht, die textlich durchaus für 3-Jährige ist, aber musikalisch auf einem Niveau, das ich mir auch als Erwachsener gut anhören kann. Er arbeitet viel mit Reggae, was in der Kindermusik immer zu funktionieren scheint.

Matthias: Zu mir kam neulich nach einem Konzert ein Vater und sagte: „Ich höre normalerweise Heavy Metal. Aber damit, was du machst, kann ich gut leben!“ Das freut mich natürlich, denn mit genau dem Anspruch bin ich mal angetreten. Und es gelingt mir – unterschiedlich, dem gerecht zu werden.

„Es stört mich, wenn jemand sich medial äußert und nicht viel davon versteht“

Frank: Bei dir finden sich ja auch viele Anknüpfungspunkte im Rock-Pop-Bereich, das ist ja nichts, wovor man sich als Erwachsener fürchten muss.

Matthias: Ich bin an einer Auseinandersetzung interessiert. Mich stört bei Kollegen, wenn ich das Gefühl habe: Du hast dich nicht viel mit Kindermusik beschäftigt und auch eigentlich gar kein Interesse daran. Und es stört mich, wenn jemand sich medial äußert und nicht viel davon versteht. So wie Jan Böhmermann neulich, der sagte: „In der Kindermusik kann man ja wirklich nur Deine Freunde hören.“

Frank: Das ist natürlich eine sehr, sehr enge Sicht.

Matthias: Und natürlich eine von offensichtlicher Unwissenheit geprägte.

Frank: Das Gefühl habe ich meistens, wenn ich einen dieser „Kindermusik ist ja so schlecht“-Artikel lese. Dann denke ich oft: Habt ihr eigentlich eine Ahnung, was es alles gibt? Aber es ist auch gar nicht so einfach, einen Überblick zu bekommen. Bei meinen anderen Radioprojekten habe ich mir zunächst z.B. bei Spotify einen Überblick verschafft, in dem ich mich etwa anhand von „Ähnliche Künstler“ durchgehangelt habe – das funktioniert bei Kinderliedern nicht, da gibt es nur ein paar Inseln.

Dann sehe ich mir Download-Charts an: Da bekommt man in der Sparte Kindermusik `ne Krise, denn das sind überwiegend „Die 30 besten Sowieso-Lieder“. Oder ich versuche es mit Compilations, aber auch da ist es schwierig, wirklich in die Breite zu kommen. Ich könnte mir vorstellen, dass auch andere Eltern Schwierigkeiten haben, sich da einen Überblick zu verschaffen und dann eventuell aufgeben.

Matthias: Aber dafür sind wir ja da, um das zu ändern.

Frank: Ich hoffe, dass das gelingt. Ich bekomme immer wieder Feedback von Eltern, wie welche Lieder bei Kindern ankommen. Das ist für mich besonders wichtig. Daran sehe ich, dass hinter den Zahlen auch Kinder sind, die ich mit meinen Programmen anspreche.

„Der ganze Sinn dieses Projektes ist es, die Kindermusik, die es gibt, auch an die Zielgruppe zu bringen“

Matthias: Inzwischen gibt es ja einige Internet-Kinderlieder-Radios. Deins zählt bestimmt zu den am besten sortierten, wenn es nicht sogar das am breitesten aufgestellte ist.

Frank:  Bevor ich mit dem Kinderliederradio angefangen habe, hatte ich zunächst nach existierenden Programmen gesucht die für meinen damals 4-jährigen Sohn geeignet sind – aber ich fand damals überwiegend lieblos zusammengestöpselte Programme. Aber es gibt in Wien z. B. „Mein Kinderradio“, das auch auf UKW sendet, die ein ziemlich ordentliches Programm machen. Leider bekommt man dort keine Titelinformationen.

Es gibt in der Schweiz das „Radiolino“, mit einem größeren Anteil auf Schwyzerdütsch, die sind auch ziemlich gut sortiert. „Teddy“ hat auch Webchannels, auf denen nur Kindermusik gespielt wird, da bleiben sie allerdings deutlich hinter ihren Möglichkeiten. Das scheint so programmiert zu sein, dass einmal pro Stunde Rolf Zuckowski kommen muss.

Matthias: Vermutlich der kommerzielle Aspekt: das kennen die meisten.

Frank: Natürlich. Ich schreibe auch diese Namen in meine Programmbeschreibungen: Volker Rosin, Detlev Jöcker und Rolf Zuckowski – das ist das, wonach die Leute suchen. Wenn sie darüber zu meinem Programm finden und dann noch mehr kennenlernen, ist es genau das, was ich will.

Matthias:  Was ist überhaupt dein Interesse am Kinderliederradio?

„Im normalen Programm bin ich mit Rocktiteln sehr zurückhaltend“

Frank: Der ganze Sinn dieses Projektes ist, dass man die Kindermusik, die es gibt, auch an die Zielgruppe bringt. Ich höre für mich Kinderliederradio nur zu Qualitätskontrollzwecken. Mein Sohn wird irgendwann daraus wachsen. Ich hoffe aber schon, dass ich die Begeisterung, die er für Kindermusik entwickelt hat, auch bei anderen Kindern entfachen kann.

Frank Korf hat seinen eigenen Kinderlieder-Webchannel gegründet

Frank Korf hat seinen eigenen Kinderlieder-Webchannel gegründet

Letztlich lebt das aber vom Erfolg – wenn ein Kanal keine Hörer findet, muss man sich halt überlegen, ob sich die Arbeit dafür überhaupt noch lohnt.

Diese Frage steht natürlich für „Kinderlieder plus“ im Raum. Es gibt aber zum Beispiel viel Musik, die nur auf „Kinderlieder plus“ läuft, und das ist durchaus Musik, die es verdient hat, gehört zu werden. Meine Hoffnung ist, dass, wenn ich den Kanal in Zukunft etwas breiter aufstelle, ich vielleicht doch mehr Hörer gewinnen kann, die dann auch an diese Musik herangeführt werden.

Matthias: Es gibt also Sachen bei „plus“, die du im normalen Programm nicht spielen würdest?

Frank: Ja, viel.

Matthias: Zum Beispiel den „Hardrockhasen Harald“?

Frank: Den habe ich noch nicht mal da drin, der ist mir selbst da zu extrem. Aber es sind natürlich schon viele Titel von Randale, Radau, Pelemele, die ich nur bei „plus“ spiele. Im normalen Programm bin ich mit Rocktiteln sehr zurückhaltend, das mischt sich schlecht mit den anderen.

Matthias: Da sind aber doch die Übergänge fließend …

Frank: Sicher kann man das nicht pauschal sagen. Faustregel: Wenn es zu rockig wird, dann wandert es auf „plus“ …

Matthias: Wird das Kinderliederradio aufhören, wenn dein Sohn 10 oder 12 wird?

„Das Feedback motiviert mich dranzubleiben“

Frank: Ich kann natürlich keine Bestandsgarantie bis in alle Ewigkeit geben, aber im Moment hoffe ich, dass ich das noch `ne ganze Weile weitermache. Das Feedback motiviert mich dranzubleiben. Ich habe noch Spaß dran. Und vielleicht finden sich irgendwann mal Mitstreiter, die einsteigen.

Matthias: Du hast ja in kurzer Zeit schon eine ziemliche Kompetenz erworben. Es gibt nicht viele Menschen in Deutschland, die so einen umfangreichen Einblick in die Szene haben, wie du.

Frank: Diejenigen, von denen ich mir wünschen würde, dass sie da einen besseren Überblick hätten, sind Lehrer, KiTa-ErzieherInnen und Multiplikatoren, die das weitergeben können. Typisches Beispiel: Neulich in der Schule bei der Weihnachtsfeier läuft Detlev Jöcker und ich denke: Leute, warum denn das schon wieder, es gibt doch noch so viel mehr.

Matthias: Obwohl ich das Gefühl habe, dass wir so viel unterwegs sind …

Frank: … aber du triffst natürlich nur genau die, die es wissen!

Matthias: Das kann sein. Die, mit denen ich spreche, kennen auch oft mehr als die „Weihnachtsbäckerei“. Die hat ja sogar Eingang auf die letzte „Radau“-CD gefunden.

Frank: Genau. „Weihnachtsbäckerei“ kommt immer gut bei Kindern an.

Matthias: Arne von Radau nannte das seine „Versöhnungsgeste“.

Frank: Sehr speziell!

Matthias: Ich könnte mir noch eine engere Verzahnung von Kinderlieder-Magazin und Kinderliederradio vorstellen. Artikel, in denen viel Musik vorkommt, könnte man zum Beispiel für eine Sendung „hörbar“ machen.

Frank: Das wäre dann auch etwas, was ich gerne auf einen guten Sendeplatz legen würde. Die absolute Topzeit ist z. B. der Sonntagmorgen.

Matthias: Dann sollten wir ein solche Zusammenarbeit ins Auge fassen.

Frank: Gerne. Und grundsätzlich gilt: Wenn jemand Ideen hat für Beiträge oder auch mal `ne Sendung: Ich bin für vieles offen! Wir hatten zum Beispiel im Dezember den Jaja-Adventskalender in Zusammenarbeit mit Sandra Marmulla, ein kleiner Audiobeitrag an jedem Tag. Sowas kann ich mir jederzeit wieder vorstellen.

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1 Antwort

  1. 1. März 2017

    […] zweiten Teil des Gesprächs gibt es ab nächster Woche Mittwoch hier zu […]

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