2 mal 3 Fragen an … Erwin Grosche

ERWIN GROSCHE (geb. 1955) lebt in Paderborn. Er isst gerne Kuchen und singt Kinderlieder. Er ist Schirmherr von UNICEF Paderborn, erhielt 2014 den Europäischen Katzenorden und sitzt seit 2015 im Beirat der Akademie für Erzählkunst. Er ist Botschafter der Stiftung Lesen und Schirmherr von „Mentor-Die Leselernhelfer.“ In diesem Jahr wird er das „Weberlein“, einen neuen Kinderliederpreis, als Schirmherr präsentieren. Jeden Tag geht er mit seinem Hund Milik spazieren und wenn er nach Hause kommt, hat er oft ein neues Kinderlied geschrieben.

– Fragen von Klaus Foitzik und Elke Kamper –

Erwin Grosche

Erwin Grosche

Was macht aus deiner Sicht ein Lied zum Kinderlied?

Was macht aus dem Apfel einen Apfel? Ist es die Sonne? Ist es der Wunsch nach Nachtisch? Ich weiß es nicht. Ich schreibe meine Geschichten auf. Oft weiß ich vorher gar nicht, ob die Geschichte ein Lied wird. Da ich für Kinder und für Erwachsene dichte, weiß ich auch vorher nicht, für welchen Zuhörerkreis ich die Geschichte einrichten werde. Meistens wird aber aus allem, was ich mache, Kinderkunst. Es ist vielleicht die Unschuld des Schreibens, die aus einem Lied ein Kinderlied macht.

„Erwachsene verstehen Kinderlieder nur, wenn sie glücklich sind“

Ein Kinderlied soll beschützen und bewahren. Das Kind soll dabei lachen und träumen können. Ein Kinderlied kann man mitsingen. Es soll so schlicht und aufregend sein, als hätte es ein Kind geschrieben. Erwachsenen empfinden oft Kinderlieder als larifari. In Wahrheit verstehen sie die Kinderlieder nur, wenn sie glücklich sind. Natürlich mag ich es, wenn man für ein Kinderlied ungewöhnliche Reime findet, auch wenn die sich manchmal gar nicht wirklich reimen.

Welches Kinderlied gefällt dir besonders und warum?

Ich mag die Kinderlieder von Gerhard Schöne. Sie sind einfühlsam getextet, überragend vorgetragen und aufwendig instrumentiert. Man spürt Schönes Menschenliebe in jedem Satz, den er singt. Seine Lieder sind sehr berührend und trotzdem auch unterhaltsam. Man spürt, dass der Künstler mit allen Wassern gewaschen ist.

„Christiane Webers heiterer Blick auf die Welt ist immer spürbar“

Noch immer zu entdecken, sind auch die zarten Kinderlieder von Christiane Weber. Die leider viel zu früh verstorbene Künstlerin brilliert in meinem Lieblingslied „Fee im Tee“ mit klarer Stimme und viel Witz. Ihr heiterer Blick auf die Welt ist immer spürbar und der Hang zum Unsinn sehr sympathisch. Ich habe die Ehre, den neuen Kinderliederpreis „Das Weberlein“ als Schirmherr zu unterstützen.

Warum bist du ein guter Kinderlied-Erfinder?

Ich kann gut rumstehen. Der Rumsteher entdeckt die schönsten Klänge der Welt. Die Welt wird zum Kinderlied. Natürlich komme ich aus Paderborn. Das erleichtert vieles. Wir haben hier eine goldene Bahnhofsuhr, die keine Zeiger hat. Unsere Stadttiere sind drei Hasen, die zusammen drei Ohren haben und doch kann man an jedem Kopf zwei Löffel entdecken.

„In Paderborn wird jeder zum Kinderlied-Erfinder“

Gestern spürte mein Hund im Wald ein Sofa auf und wenn man hier mit allen Kindern auf den Boden springt, entstehen in der kleinen Pader neue Quellen. Es hat keinen Sinn, sich zu wehren. In Paderborn wird jeder zum Kinderlied-Erfinder.

In deinen Erwachsenenprogrammen bringst du dein Publikum mit fast jedem einzelnen Satz zum Lachen. Der Humor in deinen Kinderliedern und – stücken erscheint mir dahingegen vorsichtiger, fast im Hintergrund. Wie kommt das? Würde es Kindern nicht auch guttun, über das Alltägliche so herzlich und ausgiebig zu lachen, wie es Erwachsene in deinen Vorstellungen tun?

Das erwachsene Publikum ist ja gegenüber dem Kinderpublikum in vielen Bereichen benachteiligt. Da auch der Geschmackssinn bei den großen Essern nachlässt, brauchen Riesen immer ganz viel Tabasco und Chili, um ihre Suppen scharf zu kriegen. Reicht es dem Kind, dass man sich laut die Nase putzt, braucht der Erwachsene schon einen Pups, um lachen zu können.

Sagt man Kinder das Lalula-Gedicht von Christian Morgenstern auf: „Kroklokwafzi? Semememi! Seiokrontro – prafriplo: Bifzi, bafzi; hulalemi: quasti basti bo“, lacht sich der kleine Fratz kaputt oder staunt Bauklötze. Erwachsene sehen darin oft nur das Sprachspiel und entdecken nicht den Klang und die allwissende Geheimsprache.

„Wir haben darauf geachtet, dass die Lieder überraschend und wunderschön werden“

Ich habe bei meiner Kinderkunst immer darauf geachtet, dass meine Lieder in sehr vielfältiger Weise das Gemüt streicheln. Gerne arbeitete ich dazu mit verschiedenen Komponisten zusammen, die teilweise vom Jazz oder von der Theatermusik kamen. Wir haben sogar Lieder mit dem Paderborner Seniorenorchester aufgenommen, weil ich das aufregend und lustig fand.

Erwin Grosche

Erwin Grosche

Ich selbst steuerte auf meinen LPs die Tingeltangelmelodien bei. Wir haben also eher darauf geachtet, dass die Lieder überraschend und wunderschön werden und der Jazz-Musiker Toto Blanke hat meinen Liedern immer einen eigenen entrückten Zauber geschenkt. Aber vielleicht stimmt es. Wir waren eher heiter und manchmal albern. Sowohl das lustige Kinderlied, als auch das Mitmachlied lag mir nicht so am Herzen.

Braucht es Friedenslieder für Kinder, Betroffenheitslieder, Lieder mit politischen Aussagen für Kinder – können wir die Welt der Kinder mit Liedern verändern?

Es gibt, was es gibt. Zu jedem Anlass werden Kinderlieder komponiert. Wenn wir uns fragen, was wir davon wirklich brauchen, kann die Antwort nur zwiespältig sein. Es ist okay, dass es eine so große Vielfalt gibt. Natürlich ist nicht alles, was sich da auf den CDs tümmelt, nach meinem Geschmack. Ja und? So lange wir Kinderliedermacher Spaß haben, unsere Lieder für Kinder zu schreiben und es ehrlich meinen, kann es nur gut sein, dass es diese Songs gibt.

„Da Kinder die besten Zuhörer der Welt sind, sollten wir versuchen, sie glücklich zu machen“

Kinderlieder können nerven, sie können aber auch die Welt der Kinder verändern. Kinderlieder lassen uns weinen und lachen, sie regen uns zum Nachdenken an und zum Bewegen. Kinderlieder ahmen das Wehen des Windes nach und das Rauschen des Meeres. Sie sind so leuchtend wie die Sterne und so strahlend wie die Sonne. Da Kinder die besten Zuhörer der Welt sind, sollten wir versuchen, sie glücklich zu machen. Das sind die einzigen Vorgaben.

Erwin, gibt es denn Themen, die du persönlich im Kinderlied gerne einmal anpacken würdest, aber bisher noch nicht dazu bereit warst oder die Zeit dafür noch nicht reif ist?

Vielleicht hat alles seine Zeit. Nachdem ich jahrelang und immer regelmäßig meine Kinder-LPs und Kinder-CDs herausbringen durfte, fehlen mir in meinem Umfeld ein wenig die kreativen Mittüftler. Ich habe in Paderborn keine Musiker mehr, mit denen ich zusammenarbeiten möchte. Mein Freund Toto Blanke, ein wundervoller und herausragender Gitarrist, ist gestorben. Nun sehe ich da keinen, dem ich meine Texte anvertrauen möchte. Aus Reibung entsteht halt Wärme.

„Die Kinder sind in guten Händen“

Es wird aber bald eine Kinder-CD mit Bibelgeschichten und Kinderliedern erscheinen. Da erfüllt sich schon ein Herzenswunsch von mir. Alles hat seine Zeit. Ich höre nun immer gerne anderen Kinderliedermacher und Kinderliedermacherinnen zu. Da passiert viel Neues und Wunderbares. Die Kinder sind in guten Händen.

Link:

www.erwingrosche.de

 

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